
Grundsteuerreform: Ein Interview mit Karina Wächter MdL und Steuerberaterin zum aktuellen Stand
31.05.2023Grundsteuerreform. Ein Thema, das viele Haus- und Grundbesitzer umtreibt. Bis heute wurden in Rheinland-Pfalz rund 88 Prozent der Grundsteuererklärungen abgegeben. Rund 1 Million Grundsteuerwertbescheide und Grundsteuermessbescheide sind bereits ergangen. Der Bund der Steuerzahler und der Interessenverband Haus & Grund halten die Reform der Grundsteuer für verfassungswidrig. Gemeinsam wollen sie sechs Musterprozesse gegen die Grundsteuerreform führen – einen davon übrigens in Rheinland-Pfalz. Anlass, nochmals aktuell hinzuschauen. Ein Interview mit Karina Wächter MdL und Steuerberaterin (!) zum aktuellen Stand.
Welche Konsequenzen hat es, wenn zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Grundsteuererklärung abgegeben wurde? Womit müssen Grundstückseigentümer rechnen?
Grundsätzlich kann die Finanzverwaltung für jeden säumigen Monat einen Verspätungszuschlag festsetzen und in einer nächsten Eskalationsstufe ein Zwangsgeld androhen und festsetzen, sollte keine Erklärung abgegeben werden. Im ersten Schritt wird die Finanzverwaltung allerdings lediglich mit einem Schreiben an die Abgabe erinnern. Daneben steht der Finanzverwaltung das Instrument der Schätzung frei. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass eine Schätzung nicht von der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung befreit.
Die Landesregierung hat bezüglich der Grundsteuer Aufkommensneutralität versprochen. Was bedeutet das? Ist eine Aufkommensneutralität tatsächlich gewährleistet?
Aufkommensneutralität bedeutet, dass die Summe der Grundsteuereinnahmen in der Kommune konstant bleibt. Die Verteilung und Belastung innerhalb der Gemeinde, Stadt etc. kann daneben variieren. Das heißt, dass es sein kann, dass der Nachbar weniger, man selbst dafür mehr zahlt. In der Summe – so die Zusage – soll keine Veränderung stehen. Die Landesregierung verspricht diese Aufkommensneutralität allerdings nur mit Bezug auf die Jahre 2024 und 2025.
Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung hinkt dieser Vergleich, denn die Kommunen sind angehalten, ihre Hebesätze bereits 2023 anzuheben. Vergleicht man sodann das Aufkommen im Jahr 2024 und 2025, bleibt die erste Erhöhung von 2022 zu 2023 damit bereits geduldet und außen vor.
Zur Erinnerung: Die finale Grundsteuer berechnet sich auf Basis des Grundsteuerwertbescheids multipliziert mit dem Grundsteuerhebesatz und der Messzahl. Auf Basis der Neubewertung für Zwecke der Grundsteuer ergeben sich auf Basis der aktuellen Rückläufe regelmäßig höhere Grundsteuerwertbescheide. Diese treten ab 2025 in Kraft und wirken sich grundsätzlich erhöhend aus, es sei denn, das Korrelativ des Hebesatzes gleicht den Anstieg aus. Aktuell ist jedoch das Gegenteil der Fall.
Fakt ist: Viele Kommunen haben bereits zu Jahresbeginn oder im Verlauf dieses Jahres ihre Hebesätze erhöht, weil das Land sie dazu aufgefordert hat. Weigert sich eine Kommune, muss sie mit Nachteilen aus dem Finanzausgleich und dem Ausbleiben von Fördergeldern des Landes rechnen.
Wie stehen Sie zu einer potenziellen Erhöhung der Grundsteuer?
Jede Erhöhung der Grundsteuer belastet Eigentümer und Mieter gleicherweise. In Zeiten hoher Inflation und einem jetzt schon erheblichen Mangel an bezahlbaren sowie sozialem Wohnraum eine gefährliche Entwicklung. Als CDU-Fraktion lehnen wir eine solche Erhöhung – und dann auch noch durch die Hintertür – ausdrücklich ab.
Rund 88 Prozent der Grundsteuererklärungen sind abgegeben. Rund 1 Million Grundsteuerwertbescheide und Grundsteuermessbescheide sind bereits ergangen. Was empfehlen Sie den Grundstückseigentümern?
Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe kann gegen die Bescheide Einspruch eingelegt werden. Dieser ist schriftlich oder elektronisch einzureichen. Wichtig ist, sich rechtzeitig gegen den richtigen Bescheid zu wenden und nicht abzuwarten, bis der finale Grundsteuerbescheid mit einer Zahlungsaufforderung ergangen ist.
Einspruch sollte man einlegen, wenn der Bescheid fehlerhaft ist. Unabhängig davon steht die Verfassungskonformität des neuen Grundsteuergesetztes in Frage. Aus diesem Grund führt der Bund der Steuerzahler sowie Haus & Grund bereits in anderen Bundesländern entsprechende Musterklagen. Es ist daher zu empfehlen, unabhängig von der individuellen Fehlerhaftigkeit eines Grundsteuerwertbescheids diesen mit einem Einspruch anzufechten und auf die bereits anhängigen Musterklagen zu verweisen.
Wie geht es dann weiter? Wann wird über die Einsprüche entschieden? Wie viele Einsprüche sind bislang bei der Finanzverwaltung Rheinland-Pfalz eingegangen?
Aktuell sind rund 123.000 Einsprüche bei den rheinland-pfälzischen Finanzämtern eingegangen, davon wurden rund 90.000 aufgrund des Verweises auf die Musterklage ruhend gestellt. Das bedeutet, dass die Bearbeitung zunächst bis zur Entscheidung im Klageverfahren zurückgestellt wird. Handelt es sich dagegen um individuelle Fehler wird der Einspruch unmittelbar bearbeitet und sodann erledigt.
Ergeht ein Grundsteuerbescheid, wenn gegen den Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt wurde?
Die Einlegung eines Einspruchs hemmt nicht das Ergehen eines Grundsteuerbescheids. Das bedeutet, dass die Finanzämter trotz Einspruch die Daten an die Kommunen senden und diese sodann auf dieser Basis die Grundsteuerbescheide erlassen, und die festgesetzten Beträge einziehen. Sofern es sich um individuelle Fehler handelt und die Festsetzung und Vollstreckung gehemmt werden soll, ist ergänzend zum Einspruch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen.